Auf einem benachbarten Grundstück des Klägers wurde ein Seniorenzentrum mit ca. 97 Seniorenwohnungen genehmigt. Das Seniorenzentrum entsprach den Vorgaben des örtlichen Bebauungsplanes. Es ist südöstlich versetzt zum Grundstück des Klägers. Die Entfernung von der östlichen Außenwand des Zentrums zur südlichen Außenwand des Wohnhauses des Klägers misst ca. 15 Meter. Der Gartenbereich des Grundstücks des Klägers wird in Richtung Süden durch das Bauvorhaben nicht beeinträchtigt; die Belichtung, Belüftung und Besonnung des Grundstücks ist daher gewährleistet. Derzeit ist auf dem für den Bau des Zentrums vorgesehenen Grundstück ein stark frequentierter Parkplatz, so dass mit verstärkten Immissionen nicht zu rechnen ist. Allerdings werden von den Terrassen, Balkonen und Fenstern des geplanten Zentrums Einsichtsmöglichkeiten auf das Grundstück des Klägers geschaffen.
Derartige Einsichtsmöglichkeiten rechtfertigen die Annahme eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot nicht. Einsichtsmöglichkeiten in Gärten, Terrassen, Balkone und Fenster sind in bebauten innerörtlichen Bereichen regelmäßig nicht zu vermeiden. Die von einer benachbarten Wohnnutzung und den damit verbundenen Lebensäußerungen typischerweise auf Nachbargrundstücke einwirkenden Beeinträchtigungen müssen vielmehr grundsätzlich hingenommen werden.
Rücksichtslos ist das geplante Seniorenzentrum auch nicht hinsichtlich seiner Ausmaße. Es ist zwar in der Rechtsprechung anerkannt, dass nachbarliche Belange in unzumutbarer Weise beeinträchtigt sein können, wenn ein Nachbaranwesen durch die Ausmaße eines Bauvorhabens geradezu „erdrückt“, „eingemauert“ oder „abgeriegelt“ würde. Dem Grundstück müsste gleichsam die Luft zum Atmen genommen werden. Dass das Vorhaben die bislang vorhandene Situation lediglich verändert oder dem Nachbarn unbequem ist, reicht nicht aus. In der Regel wird dem Gebot der Rücksichtnahme bereits durch die Einhaltung der nachbarlichen Abstandsflächen ausreichend Rechnung getragen.
Unser Tipp:
- Wenn Sie von einer umfangreichen Nachbarbebauung betroffen werden könnten, sollten Sie möglichst früh bei der örtlichen Bauordnungsbehörde intervenieren.
- Nur in einem frühen Stadium können Einwände noch berücksichtigt werden.
- Einwände im Gerichtsverfahren zu erheben, ist in der Regel ohne Aussicht auf Erfolg.
Franz M. Große-Wilde, Bonn, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht