Das Problem besteht zwar schon seit der am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Schuldrechtsmodernisierung, ist aber vielen – auch professionellen und institutionellen – Bauherren immer noch nicht hinreichend bewusst. Vor der Schuldrechtsmodernisierung gab es in der Regel mit der Verjährung von Forderungen aus Bürgschaften keine Schwierigkeiten, da die Verjährungsfrist im Verhältnis zum Bürgen 30 Jahre betrug. Nach neuerem Recht verjährt die Bürgenschuld jedoch gem. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB binnen drei Jahren, wobei diese Frist mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden (= fällig geworden) ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Dies bedeutet z.B. bei einer Gewährleistungsbürgschaft, dass die Forderung aus der Bürgschaft schneller verjähren kann, als die durch die Bürgschaft gesicherten Sachmängelansprüche, für die nach der gesetzlichen Regelung im Regelfall eine Verjährungsfrist von fünf Jahren ab Abnahme gilt.
Dieses Risiko besteht auch und gerade dann, wenn der Bauherr wegen eines Sachmängelanspruchs bereits Klage gegen den Unternehmer erhoben hat. Denn die Klage gegen den Unternehmer als Hauptschuldner hemmt zwar die Verjährung des mit der Klage geltend gemachten Sachmängelanspruchs, nicht aber auch die Verjährung des Anspruchs aus der Bürgschaft gegen den Bürgen. Bei einem möglicherweise jahrelangen Rechtsstreit im Verhältnis Bauherr/Unternehmer kann die Bürgschaft jedoch leicht in Vergessenheit geraten.
Nachdem das aufgezeigte Problem nach der Schuldrechtsmodernisierung als solches erkannt wurde, war zunächst lange umstritten, wann der Anspruch gegen den Bürgen fällig wird und die Verjährung der Bürgschaftsforderung beginnt. Diese Frage ist mittlerweile vom Bundesgerichtshof für den Regelfall selbstschuldnerischer Bürgschaften geklärt: Die Fälligkeit der Forderung aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft tritt, sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren, mit der Fälligkeit der Hauptschuld ein und ist nicht von einer Leistungsaufforderung gegenüber dem Bürgen abhängig (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. Januar 2008 – XI ZR 160/07 -).
Wann im Einzelfall die Fälligkeit der Hauptschuld mit der Folge eintritt, dass die dreijährige Verjährung der Forderung aus der Bürgschaft zum nächsten Jahresende beginnt, ist nicht immer einfach zu beurteilen. So wird z.B. die Auffassung vertreten, der bürgschaftsrechtliche Sicherungsfall sei eingetreten und der auf Zahlung gerichtete Anspruch aus der Bürgschaft fällig, sobald der Bauherr dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt hat und diese fruchtlos abgelaufen ist (OLG Frankfurt/M., Urteil vom 11. Dezember 2007 – 10 U 154/06 -). Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart beginnt die Verjährung des Anspruchs aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft schon dann, sobald der Unternehmer die Fertigstellung der Bauleistung verweigert (Urteil vom 22. September 2009 – 12 U 93/09 -). Nach einem (zweifelhaften) Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 3. Dezember 2009 (13 U 106/09) soll demgegenüber ein Kostenvorschussanspruch gegen den Unternehmer nicht schon dann entstehen, wenn der Unternehmer mit der Mängelbeseitigung in Verzug ist, sondern erst dann, wenn der Bauherr sich entschließt, die Mängel selbst zu beseitigen und er einen entsprechenden Vorschuss geltend macht; davon soll dann auch der Beginn der Verjährung der Forderung aus einer Gewährleistungsbürgschaft abhängen.
Bauherren kann nur dringend empfohlen werden, der Verjährung von Bürgschaftsforderungen größte Aufmerksamkeit beizumessen, damit sie sich insbesondere im Fall einer Insolvenz des Unternehmers vom Bürgen nicht die Einrede der Verjährung entgegenhalten lassen müssen.
Unser Praxistipp
Bauherren müssen bei Bürgschaften unbedingt beachten, dass der Anspruch aus der Bürgschaft schneller verjähren kann, als die durch die Bürgschaft gesicherte Hauptforderung.
Bei einer etwa drohenden Verjährung von Bürgschaftsforderungen empfiehlt es sich, sich rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist gegenüber dem Bürgen um einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung zu bemühen. Bürgende Banken oder Versicherungen sind zu einem befristeten Einredeverzicht durchaus häufig (nicht immer!) bereit.
Sollte beim Bürgen keine Bereitschaft zu einem Einredeverzicht bestehen, muss erforderlichenfalls Klage (notfalls Feststellungsklage) gegen den Bürgen erhoben werden, um die Verjährung auf diesem Wege zu hemmen.
Alfred Hennemann, Bonn, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht