Bei Streitigkeiten über das Vorhandensein von Mängeln und Restarbeiten („Abnahmereife“) wird in der Regel vom Auftraggeber die Abnahme verweigert. In einem solchen Fall ist der Auftragnehmer rechtlich nicht verpflichtet, zunächst „auf Abnahme“ und erst anschließend in einem weiteren Prozess auf Zahlung zu klagen. Der Auftragnehmer kann vielmehr wegen seiner Schlussrechnungsforderung sofort eine Werklohnklage mit der Behauptung erheben, dass seine Werkleistung mängelfrei („abnahmereif“) und damit die Schlussrechnungsforderung fällig sei. Die Frage der Abnahmereife wird dann im Zahlungsprozess als Vorfrage geprüft.
Allerdings ist, weil es ja noch an einer Abnahme fehlt, der Auftragnehmer für die Mängelfreiheit („Abnahmereife“) beweispflichtig.
Ein solcher Rechtsstreit ist jedoch für den Auftragnehmer mit einem erheblichen Prozesskostenrisiko verbunden, weil sich erst nach einer in aller Regel zeitaufwendigen und kostenintensiven Überprüfung und Bewertung durch einen oder mehrere Gerichtsgutachter herausstellt, ob die Werkleistung des Auftragnehmers tatsächlich „abnahmereif“ ist, oder ob im Gegenteil die vom Auftraggeber behaupteten Mängel und Restarbeiten berechtigt sind.
Ist Ersteres nicht der Fall, wird die auf eine Schlussrechnung gestützte Werklohnklage – mangels „Abnahmereife“/Fälligkeit – als derzeit unbegründet abgewiesen.
Unser Praxistipp
Zur Reduzierung des Prozesskostenrisikos für den Auftragnehmer sollte in solchen Fällen die Schlussrechnungsforderung hilfsweise alsweitere Abschlagsforderung gem. § 16 Nr. 2 VOB/B geltend gemacht werden.
Eine solche weitere Abschlagsforderung würde bestehen, wenn sich die Mängelfreiheit nicht bestätigte, weil sich das Vertragsverhältnis dann mangels Abnahme und „Abnahmereife“ noch im Erfüllungsstadium befände.
Die Möglichkeit einer solchen Hilfsbegründung besteht seit 2009 auch beim BGB-Werkvertrag, nachdem das BGB einen gesetzlichen Anspruch auf angemessene Abschlagszahlungen vorsieht, wie dies für den VOB-Vertrag in § 16 Nr. 2 VOB/B seit langem geregelt ist.
Rechtsanwalt Heiner Drever, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht