Welche Beschaffenheit des Werkes die Parteien vereinbart haben, ist regelmäßig – wenn es nicht eindeutig ist – durch Auslegung des Werkvertrages zu ermitteln. Zur vereinbarten Beschaffenheit gehören alle Eigenschaften des Werkes, die nach der Vereinbarung der Parteien den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Dieser werkvertraglich geschuldete Erfolg bestimmt sich nicht allein nach der tatsächlich vereinbarten Leistung oder Ausführungsart, sondern auch danach, welche Funktion das Werk nach dem Willen der Parteien erfüllen soll. Dies gilt nach der Rechtsprechung unabhängig davon, ob die Parteien eine bestimmte Ausführungsart vereinbart haben oder die anerkannten Regeln der Technik eingehalten worden sind. Ist die Funktionstauglichkeit für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch vereinbart und dieser Erfolg mit der vertraglich vereinbarten Leistung oder Ausführungsart oder den anerkannten Regeln der Technik nicht zu erreichen, schuldet der Unternehmer gleichwohl die vereinbarte Funktionstauglichkeit (BGH, Urteil vom 08.11.2007 – VII ZR 183/05 -).
Haben die Parteien z.B. auf der Basis eines Leistungsverzeichnisses vereinbart, dass der Unternehmer ein Dach für ein Gebäude herzustellen hat, muss dieses Dach dicht sein. Ob die Dichtigkeit des Daches mit den im Werkvertrages beschrieben Leistungen nicht zu erzielen ist, spielt keine Rolle, weil der Unternehmer die vereinbarte Funktionstauglichkeit, nämlich die Dichtigkeit des Daches, schuldet. Er muss insoweit die Dichtigkeit des Daches herstellen, obgleich die hierfür tatsächlich vereinbarten Leistungen nicht ausreichend sind. Die Kompensation für seine Leistungen, die über das zu erbringen sind, was tatsächlich vereinbart ist, findet dann auf der Vergütungsseite statt.
Es kommt aber vor, und ein solcher Sachverhalt lag einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 08.05.2014 (VII ZR 203/11) zugrunde, dass eine vereinbarte und vorauszusetzende Funktionalität nicht nur mit den im Werkvertrag tatsächlich vereinbarten Leistungen, sondern überhaupt nicht zu erreichen ist. Es liegt dann ein Fall der dauerhaften objektiven Unmöglichkeit vor.
In dem entschiedenen Sachverhalt sollten die bei einer Fassade zur Verwendung kommenden vorgespannten Glasscheiben keine zerstörenden Einschlüsse (z.B. Nickelsulfid) haben. Nach den Feststellungen im Rahmen einer Beweisaufnahme kann der vollständige Ausschluss von Nickelsulfid-Einschlüssen technisch nicht gewährleistet werden.
Die vereinbarte Beschaffenheit und die vereinbarte Funktionalität waren tatsächlich nicht herzustellen. Die Werkleistung war mangelhaft. Eine Mängelbeseitigung war allerdings unmöglich.
Die Folge der Unmöglichkeit ist das Entfallen des Erfüllungsanspruches (niemand kann den Vertrag tatsächlich erfüllen) und damit ebenso des Nacherfüllungsanspruches (denn niemand kann auch eine Mängelbeseitigung herbeiführen). Ebenfalls ausgeschlossen ist das Selbstvornahmerecht des Auftraggebers (denn er kann im Wege der Selbstvornahme keine Mängelbeseitigung herbeiführen) und ausgeschlossen ist auch der sogenannte Vorschussanspruch (weil mit einem vom Unternehmer zur Verfügung gestellten Geldbetrag eine entsprechende Mängelbeseitigung nicht herbeigeführt werden kann, die aber der Auftraggeber herbeiführen müsste, wenn er einen entsprechenden Vorschuss auf die Kosten der Mängelbeseitigung vom Unternehmer erhält).
Für diese Fälle steht dem Auftraggeber und Besteller ein Schadenersatzanspruch unter den Voraussetzungen von § 634 Nr. 4, § 311a Abs. 2 BGB zu. § 311a Abs. 2 BGB ist eine eigenständige Anspruchsgrundlage (Schadenersatz) und die dort geregelte Schadenersatzpflicht umfasst auch die Erstattung von Folgeschäden.
Da in § 311a Abs. 2 BGB auch in dessen Satz 2 ein Verschuldensmaßstab geregelt ist, gilt dieser einheitlich für alle hier in Betracht kommenden Schadenssituationen.
Eine Haftung des Unternehmers bei Unmöglichkeit der Leistung bzw. der Mängelbeseitigung, ist danach nur dann ausgeschlossen, wenn der Unternehmer im konkreten Sachverhalt die Unmöglichkeit nicht kannte und diese Unkenntnis nicht zu vertreten hat. Bei der Bewertung dieser Fragestellung, nämlich wann ein Unternehmer eine Unkenntnis nicht zu vertreten hat, wird es um die Beantwortung der Fragestellung gehen, welche Kenntnisse ein fachkundiger Unternehmer haben muss.
Soweit der Unternehmer die Unkenntnis zu vertreten hat, kommt ggf. aber ein Mitverschulden des Auftraggebers (§ 254 BGB) in Betracht, welches dem Auftraggeber zuzurechnen ist, nämlich dann, wenn er selbst oder ggf. auch seine Berater wussten, bzw. wissen mussten, dass auch bei einer ordnungsgemäßen Herstellung die vereinbarte Beschaffenheit und vereinbarte Funktionstauglichkeit nicht zu erreichen ist.
Praxistipp
Die vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung aus Mai 2014 angesprochene „unmögliche Mängelbeseitigung“ skizziert eine Rechtsfolgenausnahme im Mängelrecht, die möglicherweise bei vergleichbaren Sachverhalten in Zukunft Bedeutung gewinnen kann.
Auf der einen Seite steht bei Unmöglichkeit der Leistung fest, dass Mängelbeseitigungsrechte nicht bestehen. Dies wird aber kompensiert dadurch, dass ein Schadenersatzanspruch nach § 311a Abs. 2 BGB gegen den Unternehmer gegeben ist. Dieser entfällt nur dann, wenn der Unternehmer die Unmöglichkeit nicht kannte und dies auch nicht zu vertreten hat.
Für den Unternehmer gilt es beim Abschluss von werkvertraglichen Vereinbarungen genauestens zu prüfen, ob eine im Vertrag vorausgesetzte Funktionstauglichkeit tatsächlich herzustellen ist. Erfolgt diese Prüfung nicht sorgfältig und ist tatsächlich eine Funktionstauglichkeit nicht herzustellen, kann dies für den sachkundigen Unternehmer teuer werden, wenn dies nach Fertigstellung seiner Leistungen festgestellt wird, denn er schuldet dann Schadenersatz, obwohl er letztlich die ausdrücklich vereinbarten Leistungen erbracht hat.
Michael Schorn, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht