Maßgeblich ist nach einer soeben veröffentlichten Entscheidung des für das Baurecht zuständigen 7. Senats des BGH (U. v. 22.2.2018 – VII ZR 46/17) stattdessen nur noch die Wertdifferenz zwischen dem Wert des mangelhaften und dem des mangelfreien Werks.
Bisher hatte der BGH die Auffassung vertreten, dass sich der Schadensersatzanspruch in derartigen Fällen alternativ nach den fiktiven Kosten der Mängelbeseitigung, allerdings ohne Umsatzsteuer, ergeben würde. An dieser Auffassung hält der BGH nicht mehr fest. Hintergrund ist die Tatsache, dass sich ein Schaden grundsätzlich dadurch bemessen lässt, dass die Wertdifferenz zwischen der Vermögenslage ohne den Schaden (Mangel) und derjenigen mit Schaden ermittelt wird. Diese Wertdifferenz wird nach Ansicht des Gerichtes durch die fiktiven Mängelbeseitigungskosten nicht zutreffend abgebildet, vielmehr führt dies häufig zu einer Überkompensation. Die Höhe des in dem Mangel liegenden Vermögensschadens und seine Bemessung sind nunmehr aufgrund einer Wertung vorzunehmen, die sich am Leistungsinteresse des Bestellers zu orientieren hat. Daraus folgt, dass es darauf ankommt, ob der Bauherr den Mangel beseitigen lassen will oder nicht.
Will er die Mängel nicht beseitigen, ist von der für das jeweilige Werk vereinbarten Vergütung auszugehen, bei der dann der Minderwert des Werkes wegen des nicht beseitigten Mangels zu schätzen ist. Da bereits das Ausbleiben einer mangelfreien Leistung zu einer Störung des Äquivalenzverhältnisses führt, ist der Mangel auch als entsprechender Vermögensschaden zu betrachten. Im Ergebnis geht das Gericht davon aus, dass dieser mangelbedingten Minderwert dann nach § 287 ZPO durch das Gericht zu schätzen sein wird. Eine Schadensbemessung kommt hierbei etwa anhand der Vergütungsanteile in Betracht, die auf die mangelhafte Leistung entfallen, etwa bei einer Ausführung mit minderwertigen Materialen. In anderen Fällen dürfte die Schätzung schwieriger sein. Wie dies bei optischen Fehlern umzusetzen ist, ist noch nicht ganz klar. Vermutlich werden hier die Grundsätze der Minderung nach § 638 BGB eine erhebliche Rolle spielen.
Die neue Auffassung des Bundesgerichtshofes führt in diesen Fällen zu deutlich schwierigeren Ermittlungen über die Schadenshöhe. Ohne sachverständige Hilfe und komplizierte Berechnungen wird eine Bemessung kaum noch umzusetzen sein. Die bisherige Möglichkeit, ein Angebot eines Unternehmers einzuholen, dürfte kaum ausreichen. Allerdings dürften die fiktiven Kosten der Mangelbeseitigung regelmäßig die Obergrenze des Schadens sein.
Ein weiteres Problem wird dadurch entstehen, dass die gerichtlichen Verfahren einen erheblichen zeitlichen Raum einnehmen. Spätere Veränderungen können erhebliche Auswirkungen haben, etwa wenn eine Immobilie während eines jahrelangen Verfahrens veräußert wird und der Kläger an einer ursprünglich geplanten Mangelbeseitigung kein Interesse mehr hat. Er muss in einem solchen Fall die vom Gericht vorzunehmende Schätzung des Schadens dann nachträglich mehr oder weniger selbst vorweg nehmen. Es wird abzuwarten sein, ob hier die Möglichkeit besteht, auf Hilfserwägungen zurückzugreifen, wie dies zuvor mit den fiktiven Mängelbeseitigungskosten gewesen ist.
Will der Bauherr dagegen den Mangel beseitigen lassen, bleibt es hinsichtlich der Höhe wie bisher bei den tatsächlichen Kosten der Mängelbeseitigung, die auch eine eventuelle Umsatzsteuer beinhalten. Für diesen Fall hat der BGH in seiner Entscheidung dem Bauherrn eine weitere Hilfestellung geleistet. Hier hat der BGH festgehalten, dass auch in diesen Fällen ein Vorschussanspruch besteht, der auch bei dem Verlangen nach Schadensersatz nicht ausgeschlossen ist. Die bisherige Auffassung, dass mit dem Wegfall des Nacherfüllungsanspruchs der Vorschussanspruch erlöschen könnte, wird durch den BGH nicht geteilt. Hier weist das Gericht darauf hin, dass dieser auch beim Schadensersatzanspruch besteht.
Dies nimmt auch der BGH auch dann an, wenn sich eine Klage gegen einen Architekten richtet, bei der dieser Schadensersatz zu leisten hat, weil sich ein Planungsfehler im Bauwerk realisiert hat. Auch hier billigt das Gericht dem Bauherren einen Vorschussanspruch zu, damit der Bauherr nicht gezwungen ist, die Nachteile und Risiken einer Vorfinanzierung hinzunehmen.
Unser Tipp
Bei Baumängeln sollte in Zukunft früh geklärt werden, ob der Mangel letztendlich beseitigt werden soll oder nicht. Im letzteren Fall wird in der Praxis der Weg zu einer Minderung des Werklohns führen. Dies erfordert vermutlich aufwendigere Ermittlungen.
Franz M. Große-Wilde, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in Bonn