Der BGH schafft mit seiner Entscheidung vom 22.06.2023 – VII ZR 881/21 bei einer bislang umstrittenen Verjährungsfrage Rechtssicherheit. Er hat seine frühere Rechtsprechung – Urteil vom 03.12.1992 – VII ZR 86/92 – ausdrücklich aufgegeben. Die Hemmung mehrerer Mängel endet mit Beendigung eines selbständigen Beweisverfahrens nun einheitlich und nicht für jeden Mangel gesondert.
In dem entschiedenen Fall hatte der Auftraggeber zwei verschieden Baumängel gerügt und ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet; einmal ging es um Risse einer aus Betonfertigteilen hergestellten Attika und einmal um Durchbiegungen an Beton- Fensterlamellen. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat das Vorliegen eines Baumangels jeweils festgestellt. Zu den Rissen erfolgten keine weiteren Ergänzungsfragen binnen der gesetzten Stellungnahmefrist und zu den Durchbiegungen erfolgte eine weitere Aufklärung. Entsprechende Feststellungen wurden zeitlich später getroffen. Bei der im Anschluss an das Beweisverfahren gerichtlichen Durchsetzung der Mängelansprüche stellte sich die Frage, ob Mängelansprüche hinsichtlich der Risse verjährt waren. Dies wäre dann der Fall gewesen, wenn ein unterschiedlicher Hemmungszeitraum gelten würde.
Der BGH hat entschieden, dass die Hemmung der Verjährung gem. § 204 Abs. 2 S.1 Fall 2 BGB einheitlich für alle Mängel andauere. Erst dann sei ein Beweisverfahren „anderweitig erledigt“. Der BGH begründet diese Entscheidung mit dem Wortlaut von § 204 BGB, dem Willen des Gesetzgebers, dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Rechtssicherheit gebiete ein formales Verständnis der Verjährungsregel in § 204 BGB. Auch prozessökonomische Erwägungen sprechen dafür, da eine gütliche Erledigung eher dann zustande kommen könne, wenn Feststellungen zu allen gegenständlichen Mängeln hinreichend vorliegen. Dann könne einheitlich über alle Mängel verhandelt werden. Andernfalls wäre der Besteller gehalten, mehrere Mängel – klageerweiternd „nach und nach“ – in einen Rechtstreit einzuführen, um den Eintritt der Verjährung zu verhindern.
Unser Praxistipp
Die Entscheidung ist zu begrüßen. In der Praxis kann nun das Ende des Beweisverfahren insgesamt abgewartet werden. Führen sodann außergerichtliche Verhandlungen nicht zu einer Lösung, können alle behaupteten Mängel prozessökonomisch in einer Klage geltend gemacht werden.
Rechtsanwalt Dr. Stefan Taube, Bonn
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht