Die Parteien stritten um die Wirksamkeit der Vertragsstrafenklausel insgesamt und ferner darum, wie die „Abrechnungssumme“ zu verstehen sei, als Brutto-Abrechnungssumme oder als Netto-Abrechnungssumme.
Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 05.05.2022 – VII ZR 176/20) stellte zunächst fest, dass es sich bei dem Vertragswerk um allgemeine Geschäftsbedingungen handelte und damit die Inhaltskontrolle grundsätzlich eröffnet sei. Allerdings konnte er im vorliegenden Fall die Frage nach der Wirksamkeit für sich genommen offen lassen. Zur weiteren Streitfrage der Bedeutung der Abrechnungssumme hat er den gesamten Vertragsinhalt überprüft und konnte in dem Vertragswerk kein eindeutiges Auslegungsergebnis ausmachen. Auch konnte er der baurechtlichen Rechtsprechung und Literatur kein einheitliches Verständnis der beteiligten Verkehrskreise entnehmen, dass etwa regelmäßig „Brutto“ oder regelmäßig „Netto“ angenommen würde.
Danach blieb die Formulierung „Abrechnungssumme“ nach allen Auslegungsversuchen in Richtung Netto oder in Richtung Brutto unklar und mehrdeutig. Und bei mehrdeutigen Klauseln kommt die gesetzliche Auslegungsregel des § 305 c Abs. 2 BGB zum Tragen, wonach die Auslegung maßgebend ist, die den Vertragspartner desjenigen begünstigt, der die Klausel verwendet. Im Streitfall erhielt demzufolge der Auftraggeber nur die Vertragsstrafen-höhe bemessen aus der Nettoabrechnungssumme – eine Bezifferung aus der Brutto-abrechnungssumme war ihm als Verwender seiner Klausel verwehrt.
Unser Praxistipp
Möchte der Auftraggeber eine Vertragsstrafe formulieren, muss er zunächst die Anforderungen beachten, die ihm überhaupt und dem Grunde nach einen Anspruch verschaffen. Derartige Klauseln unterliegen der Inhaltskontrolle. Aber auch bei der Ermittlung der Höhe des Vertragsstrafenanspruchs empfiehlt sich die konkrete Formulierung „Brutto“. Die Bezugsgröße „Brutto“ ist rechtlich nicht zu beanstanden. Fehlt diese Angabe, muss sich der Auftraggeber mit dem niedrigeren Betrag aus der Nettoabrechnungssumme zufrieden geben.
In einer anderen Fallkonstellation, wenn Preise mit Verbrauchern ohne einen Zusatz „netto“ oder „brutto“ vereinbart werden, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass grundsätzlich von Brutto-Beträgen auszugehen ist – für den Verbraucher ist die bei einem Verkauf anfallende Umsatzsteuer beim Fehlen gegenteiliger Vereinbarungen grundsätzlich ein unselbständiger Bestandteil des vereinbarten bürgerlich-rechtlichen Entgelts (BGH, Urt. v. 24.02.1988 – VIII ZR 64/87).
Rechtsanwalt Dr. Stefan Taube, Bonn – Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht